Ich spreche jeden Tag mit Pauline.

Mayline Tran

Neun Tage für ein Wunder

Interview: von Anne Fleck
8 min Lesedauer veröffentlicht am 11. December 2024

Auf die Fürsprache der Missio-Gründerin Pauline Marie Jaricot wird ein kleines Mädchen aus Frankreich geheilt. Nun, elf Jahre später, kommt Mayline Tran mit ihrem Vater Emmanuel erstmals nach Österreich und sie sprechen über das Unglaubliche.

Im Mai 2012 verschluckt sich die dreijährige Mayline beim Abendessen. Was wie ein dummer Unfall aussieht, wird das ganze Leben der Familie auf den Kopf stellen. Das Stückchen Wurst steckt so tief, dass Mayline zu lange keine Luft bekommt. Weder die erste Hilfe des Vaters noch die der Sanitäter können daran etwas ändern. In der folgenden Nacht hat Mayline mehrere Herzstillstände, ihre Prognosen verschlechtern sich daraufhin von Tag zu Tag dramatisch.

Wie war diese Zeit für euch, Emmanuel?

Ich habe noch nie einen solchen Schmerz erlebt. Die Ärzte haben uns gesagt: „Wir wissen nicht, ob sie die Nacht überlebt.“ Es war, als würde jemand meine Eingeweide umrühren. Die Stille in der Wohnung in dieser Zeit, das war furchtbar. Oder beim Autofahren, wo man Mayline und ihre Schwester immer gehört hatte auf der Rückbank. Plötzlich hat man sogar die lauten Streitereien vermisst.

Gab es damals Grund zur Hoffnung?

Nein, nach ein paar Tagen haben wir erfahren, dass die Hirnschäden irreparabel seien und nun das „Projekt Lebensende“ beginnen würde. Was für ein bizarrer Ausdruck. Sie wollten die künstliche Ernährung einstellen. Wir haben uns geweigert: „Wir können doch unser Kind nicht verhungern lassen!“

Und dann ist etwas geschehen, was sich erst viel später als der große Wendepunkt entpuppt hat?

Eine Mutter aus unserem Schul- und Kindergartenumfeld, die beim lebendigen Rosenkranz mitbetete, sagte: „Wir dürfen dieses Kind nicht verlieren!“ und wandte sich an Kardinal Barbarin. Sie beschlossen, 150 Jahre nach deren Tod, eine Novene zu Pauline Marie Jaricot zu beten. Wir haben auch mitgebetet.

Was ist danach passiert?

Auf einmal waren Maylines Augen ganz anders. Wir fragten das Pflegepersonal: „Was ist passiert?“ Nichts, haben sie uns versichert. Aber wir wussten, es hatte sich etwas verändert. Wir spürten, da war plötzlich wieder Leben in ihr.

Habt ihr das als Folge des Gebets gesehen?

Nein. Es war uns nicht klar, dass das mit der Novene zu tun hatte. Ein halbes Jahr später sagte ein Arzt das erste Mal zu mir, dass Maylines Heilung wissenschaftlich nicht erklärbar sei. In der Zwischenzeit ist es ihr stetig besser gegangen.

Es war sicher auch für die Ärzte verwirrend?

Ihr Gesundheitszustand verbesserte sich ständig und passte gar nicht mehr zu ihren Diagnosen. Auf dem Papier war sie noch „Gemüse“, aber wir saßen mit ihr zusammen, unterhielten uns und sie aß Eis.

Wie ist das, wenn man so ein Wunder am eigenen Leib erlebt?

Am Anfang haben wir uns oft gefragt: Warum wir? Aber darauf gibt es keine Antwort. Es gibt Milliarden Menschen auf der Welt. Ich dachte damals: „Ich bin nicht getauft, glaube nur gelegentlich und habe in meinem Leben noch nicht viel Gutes getan.“ Warum darf ich das erleben? Ich bin niemand.

War schnell offiziell klar, dass es sich um ein direktes Eingreifen Gottes handelte?

Die Anerkennung des Wunders hat sehr lang gedauert. Am Ende der vielen Untersuchungen in Frankreich und in Italien saßen wir in einem sogenannten „Tribunal“ mit mehreren Neurologen und Theologen.

Wie geht ihr heute damit um?

Ich kann nicht anders, als Pauline jeden Tag zu danken. Aber leicht ist unser Leben deshalb nicht. Manche denken das, aber das ist wirklich gar nicht der Fall. Gleichzeitig ist meine Taufe, ein paar Jahre nach der Heilung, ein weiteres großes Wunder, das mich sehr bewegt.

Mayline, Du bist nun 14, wie geht es dir mit all dem?

Was Papa erzählt, kenne ich ja schon, auch wenn ich mich an die Ereignisse selbst natürlich nicht erinnern kann, weil ich noch zu klein war. Aber zu Pauline habe ich eine Beziehung, ich spreche jeden Tag mit ihr. ●

Künstler aus aller Welt: Diesmal aus DEN USA

Wechselnde Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt gestalten das Porträt auf dieser Seite. Diesmal tut das Shuai Xu aus den USA. Der gebürtige Chinese studierte Kunst an der Tianjin Academy of Fine Arts und an der Claremont University. Nun lebt er in Los Angeles und schöpft Kreativität aus seinen Träumen. „Maylines Geschichte beeindruckte mich tief. Ich nutzte sanfte Pastell-Farben, um die Hoffnung und das Positive ihres Charakters auszudrücken“, sagt er. Besonders freut ihn, dass Mayline, der wir sein Acryl-Gemälde als Geschenk überreichten, darüber absolut begeistert war und er den Geschmack des Teenagers traf.

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