Das Credo lautet: Ich bin, weil wir sind.

Ernst Ulz

Für ein selbstbewusstes Afrika

Interview: von Diözesandirektor Pater Niklas Müller
9 min Lesedauer

Leicht fällt es, all die Übel Afrikas zu geißeln. Aber was konkret dagegen tun?
Der Steirer Ernst Ulz ist Teil der Fokolar-Bewegung und setzt bei den Jungen an. Er half, damit der Kontinent zu Führungspersönlichkeiten im christlichen Geist gelangt. Und lernte dabei von ihnen auch viel über sich selbst.

Aufgewachsen in der Oststeiermark, studierte Ernst Ulz Religionspädagogik und Fachtheologie. Als gottgeweihter Laie schloss er sich der Fokolar-Bewegung an. Ihr geht es darum, das Evangelium im Alltag in die Tat umzusetzen. Ulz führte dies erst nach Uganda und später weiter nach Kenia und zum größten Problem Afrikas: der Korruption. Nun erzählt er, wie sich gerade die Jungen dagegen auflehnen und warum das Erfolg verspricht.

Afrika! War das immer schon Ihr Plan?

Nein, überhaupt nicht. Aber unterbewusst war mir mein Tal immer zu klein. Ich wollte raus, die Welt entdecken. Als ich mein Leben in der Fokolar-Bewegung Gott geweiht habe, ist mir das Wort Missionar fremd gewesen. Wir sind Berufstätige, leben in kleinen Gemeinschaften und wollen durch gegenseitige Liebe unter uns eine Atmosphäre schaffen, in der die Gegenwart Jesu spürbar ist. Als mir der Gang nach Uganda nahegelegt wurde, musste ich erst kurz auf die Landkarte schauen, wo das ist, habe aber mit Freude Ja gesagt.

Und dort dann gleich ran an die großen Probleme des Kontinents?

Nein, das kam anders. Auf der „Sophia“, einem Universitätsinstitut der Fokolar-Bewegung in Italien, studieren viele Junge aus Afrika. Von ihnen selbst kam die Initiative, ganz bewusst nach Afrika zurückzugehen, um etwas zu verändern. Bald erkannten sie, dass eine Führungskrise auf dem Kontinent herrscht. Die traditionellen Werte wurden über Bord geworfen, westliche schlecht kopiert. Dazu eine Führungsriege, die sich bereichert und korrupt ist. Wir wollten hier ansetzen und boten jungen Menschen aus sieben verschiedenen Ländern Ostafrikas und der Demokratischen Republik Kongo Trainings in „Leadership“ an. An die 100 Teilnehmende starteten dann in ihren Ländern lokale Initiativen. So erreichten sie insgesamt 14.000 junge Menschen.

Wer sind diese Menschen? Haben Sie Beispiele?

Da ist etwa Prisca Maharavo aus Madagaskar, sie ist Juristin und hat auf der „Sophia“ ihr Doktorat gemacht. Später sprach sie vor Parlamentariern aus aller Welt über diese „Together for a New Africa“-Initiative, die auch Papst Franziskus und der UNESCO vorgestellt wurde. Prisca erklärte „Ubuntu“, eine Lebenspraxis in Afrika. Das Credo lautet: „Ich bin, weil wir sind.“ Die traditionellen afrikanischen Kulturen sind also zutiefst kollektiv. In einer modernen Sprache würde man das nun „Co-Leadership“ nennen, also „miteinander regieren“. Es besteht der Wunsch nach Konsens. Ein guter Leiter, eine gute Leiterin, soll die Fähigkeit haben, allen lange zuzuhören. Erst dann trifft sie oder er eine Entscheidung und übernimmt auch die Verantwortung dafür. Andere Teilnehmer haben später NGOs gegründet zur Stärkung der Mädchen und Frauen, Radiosendungen organisiert oder sind, wie etwa Tezra aus Tansania, selbst in der Politik aktiv geworden. Das heißt, Menschen haben sich vernetzt, die Führung mehr vom Evangelium oder von „Ubuntu“ her denken und Verantwortung in ihren Ländern übernehmen können. Die Hoffnung ist, dass daraus etwas wächst, was Bestand hat.

 Kann es so gelingen, der Korruption Herr zu werden?

Es ist extrem schwer, gegen einen solchen „Elefanten“ anzukämpfen. Einzelne können sich da wie eine Maus fühlen. Aber zugleich haben diese Leute das Potenzial zur Veränderung. Klar ist so eine Initiative schwierig und auch teuer, gerade weil die öffentliche Aufmerksamkeit oft woanders liegt, auch was Spenden anbelangt. Aber der Geist von „Together for a New Africa“ lebt.

Welche Hoffnung steckt dahinter?

Dass junge Afrikaner eine Chance bekommen, ihre Talente in die Gesellschaft einzubringen, ohne Angst zu haben und bedroht zu werden und nicht von wirtschaftlichen Hindernissen gebremst werden. Ich wünsche mir, dass sie in der globalen Welt selbstbewusst sind und realisieren, was sie zu geben haben. Und dass dieser wunderschöne Kontinent in absehbarer Zukunft Führungspersönlichkeiten hat, denen es wirklich um die Leute geht und um das Land und nicht um die eigene Tasche. Wenn unser Projekt ein wenig dazu beitragen kann, dann hätte es sich sicher gelohnt und dann wäre auch das Evangelium tiefer und nachhaltig in die Gesellschaft eingedrungen.

Was lernt man selbst dabei in Afrika?

Jesus hat provokant gesagt: „Wenn ihr nicht so werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht ins Himmelreich gelangen.“ Ich glaube, ich habe in Ostafrika die Unmittelbarkeit des Glaubens wieder gelernt: die unkomplizierte Religiosität, die Menschen dort – egal welchen Glaubens – an den Tag legen und wie sie tatsächlich kontinuierlich Erfahrungen mit Gott machen. Damit meine ich nicht irgendwelche abgehobenen, im negativen Sinne mystische Erfahrungen. Nein, der ganze Alltag ist vom Glauben durchdrungen. Nur ein kleines Beispiel: Es gibt dort kaum eine Versammlung, bei der nicht am Anfang und am Ende gebetet wird. Wichtig ist, dass die Begegnung Gott anvertraut wird, und dass man nachher Gott Danke sagt. Die meisten Menschen in Ostafrika deuten ihr Lebensschicksal kontinuierlich von Gott her. Die Trennung der Lebenswelten in religiös, beruflich und privat gibt es kaum.

Künstler aus aller Welt: Diesmal aus Ruanda

Wechselnde Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt gestalten das Porträt auf dieser Seite. Diesmal tut das Amani Sylvestre aus Ruanda. Schon als Kind liebte er die Kunst. Auch wenn er in der Volksschule fürs Malen im Unterricht noch bestraft wurde, hielt er an seiner Leidenschaft fest. Heute arbeitet er als Grafikdesigner an der „East African University Rwanda“ und gewann mehrere Auszeichnungen. „Ernst Ulz‘ Schaffen für Afrikas Jugend imponiert mir daher besonders und ich versuche, dem mit diesem Porträt gerecht zu werden.“

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