"Wir sind 22 Ärztinnen im Orden."

Sister Sapientiae

Wie auf der Arche Noah

Interview: von Anne Fleck
8 min Lesedauer

Wenn eine Schwester nach der lateinischen Weisheit benannt ist,
scheinen zwei Uni-Abschlüsse fast schon Pflicht. Was Sister Sapientiae aus Nigeria aber von der Philosophie zur Inneren Medizin und schließlich auf ein Spital auf Stelzen geführt hat, erzählt sie im Interview.

Sie ist eine fröhliche Intellektuelle. Eine Philosophin wie Gastroenterologin zugleich. Und sie ist eine Schwester vom Unbefleckten Herzen Mariens, die zwischen zwei Flüssen ein Spital auf Stelzen bauten. Ein Gespräch über Heilung und Sinn.

Liebe Schwester Sapientiae, Sie haben viel Zeit in Ihre Ausbildung investiert?

Ja, meine geistliche Gemeinschaft hat mich darum gebeten. Zuerst habe ich Philosophie an der Päpstlichen Universität Gregoriana studiert und dann Medizin an der Katholischen Universität Gemelli, beides in Rom. Dort habe ich auch als junge Ärztin meine Ausbildung begonnen. Nach meinem Abschluss vor 30 Jahren, bin ich zurück nach Nigeria gegangen und habe dort zehn Jahre als Ärztin gearbeitet. Das wichtigste Apostolat unserer Kongregation besteht aus Bildung und Gesundheitsversorgung. Wir sind 22 Ärztinnen bei uns im Orden. Nach den zehn Jahren ging ich zurück nach Rom und habe meinen Facharzt für Innere Medizin in Gastroenterologie gemacht.

Wie ist das, geistliche Schwester und Ärztin zu sein?

Wir nehmen Teil am barmherzigen Wirken der Kirche, besonders indem wir uns der Schwachen annehmen. Sie kommen in unsere Krankenhäuser und wir kümmern uns um sie. Das ist nicht nur unser Beruf. Wir sind mit dieser Arbeit Teil der Mission der Kirche. Heilung – das ist unsere Mission. Auch Jesus hat heilend gewirkt. Es ist das innerste Wesen der Barmherzigkeit.

Erreichen Sie so auch die Ärmsten?

Wir leben einen Teil der Spiritualität der katholischen Kirche, indem wir die Armen und die Schwachen versorgen. Dieser Aspekt von Barmherzigkeit ist uns so wichtig. Deshalb liegen unsere Krankenhäuer auch in ländlichen Gegenden oder in kleineren Städten – nie in Großstädten. Wir gehen ins Landesinnere, die Peripherie, von der Papst Franziskus sprach und pflegen dort diejenigen, die es wirklich am meisten brauchen. Ganz besonders die Frauen. Es war unserem Gründer Bischof Charles Heerey, einem Spiritaner, sehr wichtig, Frauen zu stärken. Wir setzen uns für die Frauen ein, denn wer Frauen aufbaut, baut eine ganze Nation auf.

In Nigeria gibt es viele Spannungen zwischen den Religionen. Wie gehen Sie damit um?

Bei uns werden alle Konfessionen, Religionen und ethnische Gruppen genau gleich aufgenommen. Das ist unser Apostolat. Sie sind alle Menschen! Sie gehören mit Respekt behandelt. Gott hat ihnen eine unantastbare Würde gegeben. Oft wissen wir gar nicht, ob jemand Muslim ist. Wir tun einfach unsere Arbeit und kümmern uns um alle in Not.

Und Not gibt es gerade in Ihrer Gegend große?

Oh ja, unser Krankenhaus liegt auf einer Insel zwischen zwei großen Flüssen. Bei Notfällen, etwa bei Geburten, ist das heikel. Versucht man eine Frau in den Wehen, die einen Kaiserschnitt bräuchte, über den Fluss ins Krankenhaus zu bringen, würde sie auf dem Weg dorthin sterben. Jetzt aber gibt es ein Krankenhaus, das wirklich helfen kann, weil es in der Nähe der Menschen ist. Das ist einfach wunderschön!

Und dieses Spital zwischen den Flüssen steht auf Stelzen. Wie kam das?

Manchmal steigt das Wasser enorm, wegen baufälliger Dämme, aber auch klimatischen Veränderungen. Man kann sich kaum darauf vorbereiten. Damit haben wir sehr gekämpft. Auch weil das Krankenhaus jedes Mal bei Hochwasser einzustürzen drohte. Seit 2022 haben wir ein neues Krankenhaus, das wir dank der Hilfe von Missio bauen konnten. Jetzt ist alles besser. Für uns sind das stabile Fundament und die hohe Lage des Krankenhauses ein echtes Wunder.

Wieso?

Weil sich im Jahr 2022 die schlimmste Flut ereignete, die es in Nigeria je gab. Gerade in diesem Jahr sind wir mit dem Dach fertig geworden.

Sie sind also genau rechtzeitig mit dem Bau fertig geworden?

Wir haben uns gefühlt wie auf der Arche Noah. Die Flut war so hoch wie noch nie und doch waren wir, mit all den Menschen, die zu uns gekommen sind, noch etwa 60 Zentimeter höher. Wir konnten so viele Menschen retten. Es war eine göttliche Rettung.

Künstler aus aller Welt: Diesmal aus Kolumbien

Wechselnde Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt gestalten das Porträt auf dieser Seite. Diesmal tut das Guadalupe Rivas aus Buenos Aires. Schon immer war es ihr ein Anliegen, durch ihre Illustrationen Emotionen zu wecken, die im Gedächtnis bleiben. „So trägt Sister Sapientiae bei mir eine Laterne durch das Dunkle, was Schutz und Führung signalisiert. Sie spendet jenen Wärme, die diese am meisten brauchen. So will ich ihre stille Stärke ausdrücken, was ihre Rolle stärkt, für andere da zu sein.“

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