Undercover im Rotlicht
Arme Regionen auf den Philippinen gelten als Hotspot für Prostitution und Menschenhandel – mitunter werden gar Kinder zu Opfern. Doch mutige Schwestern gehen inkognito in die Bars und Bordelle, um die Mädchen zu retten. Schwester Irene Bacquarin ist eine von ihnen.
Ihre Ordenstracht ist rosa, und für viele Mädchen im Nachtleben der Millionenstadt Cebu ist das die Farbe der Hoffnung: Wie die Schwestern der Mary Queen of Heaven-Missionarinnen Frauen aus der Prostitution befreien, erzählt nun eine von ihnen.
Ihr Einsatz gilt Mädchen, die sexuell ausgebeutet werden. Wie genau sieht Ihre Arbeit aus?
Wir machen uns abends um fünf auf den Weg und gehen dann die ganze Nacht durch Bars, Nachtclubs und Bordelle, um diese Mädchen, die furchtbar missbraucht werden, zu suchen.
Und Sie werden einfach in solche Etablissements hineingelassen?
Wir tauschen vorher natürlich unseren rosafarbenen Habit gegen unauffälligere Kleidung. Wir sind quasi undercover, tragen keine Medaillen, keine Kreuze, keine Schleier. Und dann ziehen wir los und verteilen die ganze Nacht über Rosenkränze und Medaillen an die Mädchen. Das machen wir vier Mal die Woche.
Wie geht es dann nach der ersten Begegnung weiter?
Wenn die Mädchen ihr Leben ändern möchten, wenn sie uns um Hilfe bitten, dann können wir sie retten. Wir bringen sie in unser Haus, in das „Home of Love“ (Heim der Liebe).
Die Mädchen und jungen Frauen leben dann in Ihrem Konvent und bekommen eine Ausbildung?
Ja, aber zu allererst machen sie einen Alkohol- und Drogenentzug. Sie sind, wenn sie zu uns kommen, alle stark abhängig. Danach versuchen wir herauszufinden, ob sie eher eine praktische Ausbildung machen oder studieren. Dafür erhalten wir auch öffentliche Unterstützung.
Wie alt sind diese Mädchen?
Zwischen 12 und 15. Es gibt Mädchen, die werden schon mit acht zur Prostitution gezwungen.
Wie landen die Mädchen in dieser grauenvollen Situation?
Die meisten kommen aus sehr entlegenen, extrem armen Gegenden der Philippinen. Anwerber sprechen sie an und geben vor, ihnen Jobs in der Stadt zu vermitteln, um sie dorthin zu bekommen. So werden sie von zu Hause weggelockt.
Sie haben sicher mächtige Feinde?
Ja, dieses Umfeld ist natürlich nicht ganz ungefährlich.
Wie machen Sie es, dass Sie die Hoffnung nicht verlieren, obwohl Sie ständig mit dieser unvorstellbar grausamen Ungerechtigkeit konfrontiert sind?
Mit Gottes Hilfe. Wir brauchen eine gute körperliche und geistliche Verfassung für unsere Mission. Und wir achten darauf, dass wir im Stand der Gnade sind. Bevor wir losziehen, bitten wir um Gottes Schutz, und wenn wir zurückkommen, bitten wir, dass er uns freimacht von all dem Bösen, mit dem wir in Berührung gekommen sind.
Wie schaffen das die Mädchen? Haben Sie zum Beispiel Psychotherapeuten, die Sie bei Ihrer Arbeit unterstützen?
Ja, wir arbeiten mit Therapeuten, Psychologen und Sozialarbeitern, um die vielen Traumata der Kinder zu bearbeiten. Und dann ist es unser liebevolles Zuhause, das ihnen hilft, ihre Würde als Person wiederzuentdecken.
Gibt es eine Geschichte, die Sie persönlich
besonders berührt?
Ja, ein Mädchen, dem ich mal Hilfe angeboten hatte, gratulierte mir zu meinem Geburtstag. Sie war die Einzige, die an ihn gedacht hatte. An dem Abend dieses Tages schrieb sie mir: „Schwester, ich bin so weit. Holen Sie mich ab.“ Diese 12-Jährige kam dann zu uns, und wir bemerkten schnell, dass sie psychiatrische Hilfe brauchte. Wir konnten ein Visum für sie bekommen, und sie erhielt in Europa und Kanada die nötige Hilfe. Damals, im Jahr 2005, konnten wir das noch nicht selbst bewerkstelligen. Heute haben wir ein besseres Netzwerk und mehr Möglichkeiten hier vor Ort.
Wie kann man es verhindern, dass die Mädchen überhaupt in dieser Situation enden?
Einzig durch Bildung. Deshalb haben wir jetzt Schulen in 28 Provinzen für 18.000 Schulkinder. Das ist die beste Präventionsarbeit. Bildung ist die größte Hilfe für die Familien der Kinder. Wo Kinder zur Schule gehen, gibt es diesen Menschenhandel nicht.

Künstler aus aller Welt: Diesmal aus Kolumbien
Wechselnde Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt gestalten das Porträt auf dieser Seite. Diesmal tut das María Clara Fuentes aus Kolumbien. Die Begabung wurde ihr mit in die Wiege gelegt, waren doch beide Großmütter und die Mutter künstlerisch tätig. „In meiner Zeichnung will ich die Güte und Großzügigkeit von Schwester Irene in ihrer Hilfe für Mädchen transportieren. Ihre Wärme und Freude schimmern durch, hervorgehoben durch den einzigartigen pinken Habit, der das Mitgefühl symbolisiert.“