Im Kampf gegen die Hindu-Nationalisten
Christinnen und Christen haben es in Indien nicht leicht. Der zunehmende Hindu-Nationalismus führt zu brutaler Gewalt und staatlicher Unterdrückung. Selbst die Mutter Teresa-Schwestern gerieten ins Visier der Behörden. Doch die Anwältin Tehmina Arora lässt sich nicht unterkriegen und kämpft dagegen an.
In der Nachfolge von Mutter Teresa versorgen Ordensschwestern in Indien Arme und Obdachlose jeder Religion und Herkunft. Hindu-Nationalisten wollten ihnen verbieten, weiter Spenden aus dem Ausland zu erhalten. Erst Protest aus aller Welt verhinderte das vorerst. Doch die Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten schwindet. Umso mehr braucht es Kämpfer für deren Rechte. Tehmina Arora ist eine von ihnen. Schon als Kind träumte sie davon, sich für Gerechtigkeit einzusetzen. Heute leitet die Anwältin das Asien-Büro der Menschenrechtsorganisation ADF International und erzählt, was sich konkret tun lässt.
Sie haben durch die Worte einer sehr einfachen Frau Ihre Berufung gefunden. Wie ist das passiert?
Ich habe als junge Anwältin von der Gewalt gegen Christinnen und Christen in Ost-Indien 2007 gehört und einige der Opfer besucht und interviewt. Ich wollte herausfinden, wie man ihnen am besten helfen könnte. Eine alte Dame, sie war Witwe, musste fliehen, nachdem man ihr Haus niedergebrannt hatte. Ihre ganze Familie ist auf der Flucht umgekommen. Ich dachte, sie sei eher eine kulturelle Christin und das Leben wäre viel einfacher für sie, wenn sie keine mehr wäre. Also fragte ich sie: „Wieso werden Sie nicht Hindu?“ Sie schaute mich fassungslos an und antwortete: „Wo sollte ich hin ohne meinen Jesus?“ An diesem sehr entlegenen Ort habe ich von dieser Frau eine meiner wichtigsten theologischen Unterweisungen bekommen. Sie hatte alles verloren, aber ihr Glaube war ihr als das Wertvollste geblieben. Dieser Moment rückte für mich vieles in ein anderes Licht.
Mit welchen Folgen?
Ziemlich bald nach dieser Begegnung merkte ich, dass kleine Rechtsberatungen den Menschen wirklich helfen würden. Es gibt viele Hilfsorganisationen, aber rechtliche Unterstützung kann keine davon bieten. Anwälte vor Ort erfordern natürlich Ressourcen, also beantragten wir eine Finanzierung für ein Rechtshilfezentrum bei ADF International und begannen mit der Arbeit. Inzwischen arbeite ich selbst bei der ADF mit verbündeten Anwälten in der gesamten südasiatischen Region zusammen.
Wie sieht Ihr Tagesgeschäft aus?
Wir sind viel damit beschäftigt, unmittelbare Hilfe zu leisten. Wir haben eine Hotline, wo Menschen anrufen können, die zum Beispiel gewalttägige Übergriffe erlebt haben. Wir sind in Kontakt mit der Polizei und zivilgesellschaftlichen Gruppen, unsere Anwälte kümmern sich um die Verteidigung der Mandanten vor Gericht.
Was ist das Schönste an Ihrer Aufgabe?
Wenn zum Beispiel, wie zuletzt, ein Pastor aus dem Gefängnis freikommt. Erst kürzlich konnte dieser zu seiner Familie zurückkehren, nachdem der Geistliche mehr als ein halbes Jahr eingesperrt war.
Warum war er in Haft?
Er wurde beschuldigt, Menschen zum Konvertieren gezwungen zu haben – inzwischen haben neun indische Bundesstaaten Anti-Konversions-Gesetze erlassen. Dieser Priester hatte einfach zu Hause einen Gottesdienst geleitet. Ein aggressiver Mob umstellte sein Haus und griff die Christen an. Das Resultat: Der Geistliche musste ins Gefängnis.
Wie verlieren Sie in Anbetracht solcher Ungerechtigkeit nicht die Hoffnung?
Es gibt dunkle Tage, das leugne ich nicht. Meine Ermutigung kommt von diesen verfolgten Menschen, deren Glaube so strahlt. Und dass Gott uns braucht – das ermutigt mich.
Was ist die größte Bedrohungen der Menschenrechte?
In Südasien ist es der wachsende religiöse Nationalismus und die Tatsache, dass die Staaten immer autoritärer werden. Es ist überall ähnlich. Und das wirkt sich auf die Zivilgesellschaft und den Zugang zu Grundrechten aus.
Sind da alle staatlichen Stellen gleich?
Nein, wir haben zum Beispiel mit der Polizei schon oft sehr gute Erfahrungen gemacht. Polizisten haben in Indien sehr viel Einfluss. Sie können heikle und aufgeladene Situationen entspannen und das tun sie auch immer wieder. Und ganz grundsätzlich gibt es in Indien eine Offenheit für unterschiedliche Religionen, auch unter Nicht-Christen.
Fördert die Christen-Verfolgung eine stärkere ökumenische Gemeinschaft?
Ja, sogar mit Muslimen, die sich für Rechte von Christen stark machen. Eigentlich hat das harmonische Zusammenleben unterschiedlicher Religionen in Indien immer ganz gut funktioniert. Und an manchen Stellen funktioniert es auch nach wie vor sehr gut: Gerade hatte eine radikale Gruppe von Hindus einige Muslime bedroht, die gemeinsam beteten. Daraufhin haben hinduistische Familien diesen Muslimen ihre Privatwohnungen zum gemeinsamen Gebet zur Verfügung gestellt. Solche Geschichten machen mir Hoffnung. ●