Ich erfuhr die Nähe Gottes.

Hans-Joachim Lohre

Die Macht des Gebetes

Interview: von Schwester Renate Hämmerle
8 min Lesedauer veröffentlicht am 20. Februar 2024

Der wenig rühmliche Abzug der UN-Truppen aus Mali hat jegliche Hoffnung auf Stabilität im Land infrage gestellt. Die islamistische Gewaltherrschaft scheint die Oberhand zu gewinnen. Gerade in dieser aussichtslos wirkenden Lage wird eine Stimme der Hoffnung laut. Und zwar von jemandem, der selbst in Geiselhaft der Islamisten war: Pater Hans-Joachim Lohre.

„Partir Allemagne!“ Pater Lohre traute seinen Ohren nicht. Doch ja, es war die Aufforderung, nach Deutschland auszureisen und das nach 355 Tagen in islamistischer Haft im Nirgendwo der malischen Wüste. Ein Wunder, das Pater Lohre dem Gebet tausender Christen und Muslime zuschreibt. Nun erzählt Pater Lohre nach seiner Freilassung Ende November von seiner Zeit in Mali, der Gefangenschaft und von einem realistischen Traum.

Was sind die Gründe für so viel Unruhe in Mali?

Armut, Korruption auf allen Ebenen, Vetternwirtschaft, Landflucht, schlechte oder keine Schulbildung, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit. Durch den Klimawandel weitet sich die Wüste aus, somit gibt es weniger Weideland für die Herden, das führt zu Konflikten zwischen Hirten und Bauern.

Wie haben sich die politischen Unruhen in Mali auf Ihr tägliches Leben ausgewirkt?

Ich konnte nicht mehr überallhin fahren. Mehr als zwei Drittel des Landes wurden als rote Zone, als „No go area“ eingestuft. Die deutsche Botschaft warnte vor Attentaten in der Gegend, wo ich am Sonntag zwei Messen feiern sollte. Da ein einzelner Weißer allein im Auto immer eine Zielscheibe darstellt, habe ich mit einem afrikanischen Priester meinen Dienst getauscht.

Warum scheiterten die UN-Missionen?

Es lag wohl an der Formulierung ihres Mandates. Ihr Auftrag war, das Friedensabkommen zwischen der CMA Tuareg und der malischen Regierung von 2015 zu überwachen. Das haben sie zwar getan, aber das Mandat beinhaltete eben nicht die Bekämpfung islamistischer Gruppierungen, die Stück für Stück das Land unter ihre Kontrolle brachten.

Wie sind Sie in die Hände der Entführer gefallen?

Es geschah vor meiner Haustür, als ich in mein Auto steigen wollte. Da kam ein anderes Auto mit drei Personen angerast und hat sich hinter mich gestellt. Die Männer sprangen raus. Einer sagte: „Pater, Sie sind festgenommen.“ Ein anderer zog mich auf den Rücksitz ihres Autos. Ich bekam eine Mütze über den Kopf. Dann ging es schnell aus der Stadt raus.

Wie haben Sie die Zeit in Gefangenschaft erlebt?

Ich wurde immer mit Respekt behandelt. Es fiel kein böses Wort, ich wurde nie misshandelt. Gleichzeitig habe ich versucht, der Situation einen Sinn zu geben. Ich hatte plötzlich keinen „Termindruck“ mehr und somit viel Zeit für das Gebet. Den Ramadan habe ich dann für 30-tägige Exerzitien genutzt. Ich habe meine Gefangenschaft als eine Zeit gesehen, aus der Gott etwas Gutes für mich und die Welt machen kann. Ich lebte mit einem tiefen inneren Frieden und erfuhr die Nähe Gottes.

Wie ist das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Mali?

Mali war und ist ein Musterbeispiel für das friedliche Zusammenleben von Muslimen und Christen auf allen Ebenen: in der Nachbarschaftshilfe, gemeinsames Feiern von Hochzeiten, gemeinsames Mitgefühl bei Krankheit und Beerdigungen.
Gerade meine Entführung hat Muslime und Christen im Kampf gegen den islamistischen Terror näher zusammengebracht. So haben Muslime in den Zeitungen meine Befreiung gefordert. Auch haben viele Muslime für meine Befreiung gebetet. Es ist vielleicht das eingetreten, was ich mir in der Zeit der Gefangenschaft erhofft, aber nicht zu träumen gewagt habe: Dass meine Entführung den christlich-islamischen Dialog mehr voranbringt als meine physische Gegenwart vorher.

Was gefährdet dieses friedliche Zusammenleben?

In machen privaten Radios wird gegen Christen gepredigt, … aber besonders auch gegen Muslime, die den Dschihad ablehnen. Einer sagte mir: „Wir werden nicht eher Ruhe geben, bis die schwarze Flagge von al-Qaida auf dem Präsidentenpalast weht.“

Was können wir von der Kirche in Mali lernen?

Die Kirche in Mali ist eine junge Kirche und sie ist eine Minderheit. Nur etwa zwei Prozent der Bevölkerung sind katholisch. Das Pfarrleben wird stark von der Gemeinde mitgestaltet. Jeder ist wichtig und jeder weiß, dass er etwas beizutragen hat…. Das wünsche ich mir auch für die Kirche in Europa. Auch hier ist die Kirche eine Minderheit, das kann auch eine Chance sein.

Künstler aus aller Welt: Diesmal aus ÖSTERREICH

Wechselnde Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt gestalten das Porträt auf dieser Seite. Diesmal tut das die in Wien lebende gebürtige Kroatin Marina Lucic. Zwei Priester aus Burkina Faso, die sie und ihre Familie in einer schweren Zeit unterstützten, waren begeistert von ihrer Kunst. „Aus Dankbarkeit male ich seither christliche Bilder, um den Menschen Freude zu bereiten und ihnen ein Zeichen zu geben, dass sie nie allein sind und die Hoffnung nicht verlieren.“ Die Honorare spendet Lucic für Bedürftige in Afrika. Missionar Lohre umhüllte sie in die für den Orden der „Weißen Väter“ typische Gandura und lässt ihn in den Himmel blicken, wo die Hoffnung liegt.

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