Die katholische Stimme des Heiligen Landes
Ein Franziskaner in Jerusalem – der aus der Provinz Bergamo stammende Pierbattista Pizzaballa ist als Lateinischer Patriarch die höchste katholische Autorität im Heiligen Land. Nun gilt er als möglicher nächster Papst. Mit der allewelt sprach er 2021 über seine heikle Mission.
Der italienischstämmige Franziskaner lebt seit 30 Jahren im Heiligen Land – und mit dem dortigen Konflikt. Als Lateinischer Patriarch von Jerusalem zählen neben Israel auch Zypern, Jordanien und die Palästinensischen Autonomiegebiete zu seinem Kirchenbezirk. Der heute 60-Jährige wird als durchaus „papabile“ gehandelt. In diesem allewelt-Interview vor dem Weihnachtsfest im Jahr 2021 erzählt er, wie er mit dem damals bereits eskalierenden Konflikt umgeht. Dieser verschlimmerte sich mit dem Angriff der Terrorkrieger der Hamas vom Gazastreifen auf Israel im Oktober 2023 noch weiter.
Bald ist Weihnachten: Wie werden Sie es feiern?
Ich werde in Betlehem die Prozession und Messe leiten – hoffentlich mit vielen Menschen! Wir brauchen in dieser Zeit der Krise auch äußerliche, gemeinschaftliche Zeichen der Hoffnung.
Wie halten Sie die Situation im Heiligen Land aus?
Ich weiß nicht, ob es darauf eine Antwort gibt. Wir leben hier. Punkt. Trotz aller Spannungen. Auch, wenn es schwer ist. Es ist die Liebe, die uns Kraft gibt, weiterzumachen – die Liebe für unsere Kinder, unsere Familien, unser Land. Das hält uns hier.
Als der Konflikt im Gaza-Streifen im Sommer 2021 eskalierte, sammelten Sie Geld für die notleidenden Christinnen und Christen dort. Was hat sich seitdem verändert?
Nicht viel, ehrlich gesagt. Die wirtschaftliche Situation sowie das Gesundheitswesen sind extrem angespannt. Jedes Mal, wenn ich nach Gaza gehe, bitten mich die Menschen, Ausreisebewilligungen für sie zu organisieren, damit sie beispielsweise zu Weihnachten nach Betlehem reisen können. Das wurde in den letzten Jahren immer schwieriger, auch wegen Corona. Von den 800 bis 900 Christinnen und Christen in Gaza sind etwas mehr als 100 katholisch. Ich besuche sie in der Woche vor Weihnachten und wir feiern alle gemeinsam, denn in solch einer Situation macht es keinen Sinn, sich abzusondern. Auch Muslime kommen mit ihren Kindern vorbei. Sie sind neugierig und wollen sehen, wie wir Weihnachten begehen. Das sind Gelegenheiten, wo wir die Politik beiseitelassen und einfach beisammen sein können.
Sie leben seit etwas mehr als 30 Jahren hier. Nach all dem, was Sie gesehen und erlebt haben: Nennen Sie es immer noch ein „heiliges“ Land?
Natürlich, denn es ist das Land der Heiligen, derer, die die Offenbarung Gottes bezeugen. Trotz unserer Spaltung, unserer Spannungen und Kriege, ist es gesegnet und die Heiligkeit des Ortes ist spürbar. Viele Christen, Muslime und Juden sind sehr aufrichtig in ihrem Glauben, sie sind gerecht und loyal.
Zum Beispiel?
Frauen in und um Tel Aviv setzen sich für die Rechte von Migrantinnen und geflüchteten Frauen ein. Christen, Muslime und Juden engagieren sich gemeinsam als Freiwillige in Altersheimen. Andere treten für die Menschenrechte von palästinensischen Israelis ein.
Sie haben kürzlich den synodalen Prozess im Heiligen Land eröffnet. Sind Sie zuversichtlich, dass Menschen nun lernen, einander zuzuhören?
Bei der Eröffnung mit mehr als 3.000 Menschen spürte ich, dass es eine Sehnsucht danach gibt, zusammenzuarbeiten. Die Gläubigen möchten sprechen und wollen, dass wir Priester ihnen zuhören. Darin habe ich sie ermutigt: Wie die Emmaus-Jünger nach ihrer Begegnung mit Jesus den Aposteln davon berichteten, ist es nun Aufgabe der Gläubigen, den Nachfolgern der Apostel – also uns Bischöfen – das Evangelium zu verkünden!
Was ist Ihr persönlicher Weihnachtswunsch?
Ich bin ein konkreter, realistischer Mensch. Seit zwei Jahren hatten wir kein ordentliches Weihnachten. Ich wünsche mir ein ruhiges und heiteres Weihnachten mit Familie und Gemeinschaft.