Die stille Heldin der Mädchen
In einer von Hunger und Islamismus geprägten Region fördert
Schwester Marie Claire Dina Koupaki die enge Zusammenarbeit
zwischen christlichen und muslimischen Gläubigen. Seite an Seite mit Imamen und Politikern setzt sie sich im Sahel-Staat Niger gegen Kinderehen ein und rettet so vielen jungen Mädchen das Leben.
Die Sahel-Zone, eine Region, die der Inbegriff der Hoffnungslosigkeit zu sein scheint. Ihr einziges Exportprodukt: Terrorismus. Und eine unaufgeregte Nonne, die dabei ist, das zu ändern. Schwester Marie Claire Dina Koupaki ist eine freundliche, zurückhaltende Frau. Nie würde man vermuten, dass die Generaloberin der Fraternité des Servantes du Christ im Niger sich an eine der größten und heikelsten Herausforderungen unserer Zeit macht.
Schwester Marie Claire, wie lang gibt es Ihre Kongregation schon, und mit welchem Anliegen wurde sie gegründet?
Unsere Kongregation gibt es seit 2006. Es ist die erste diözesane Kongregation in Niger. Schwester Marie Catherine Kingbo hat sie gegründet. Ich bin ihre Nachfolgerin. Unser Ziel ist es, das Gesicht Christi in einem muslimischen Umfeld sichtbar zu machen. 98 Prozent der 24 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner in Niger sind Muslime, nur ein Prozent Christen. Wir arbeiten für Muslime und Christen. Und auch unsere Mitarbeiter sind Muslime und Christen. Wir sind 21 Schwestern, 3 Novizinnen und 2 Postulantinnen aus sechs verschiedenen Ländern.
Kommen in diesem Umfeld Ehen zwischen Muslimen und Christen vor?
Das ist sehr, sehr selten. Mir fällt jetzt keine ein.
Ist der islamistische Terror eine akute Bedrohung in Ihrem Gebiet?
Der Terrorismus ist bei uns Gott sei Dank kein Thema, obwohl wir uns sehr nah an der Grenze zum Norden von Nigeria befinden. Wir haben Leibwächter, aber wir sind im Moment nicht gefährdet. Also, bei uns zu Hause nicht. In manchen Dörfern müssen wir schon aufpassen.
Gibt es ein soziales Gefälle zwischen Christen und Muslimen?
Ja, das Leben für die Christinnen und Christen ist schwerer. Die Muslime sind reicher.
Ist das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen heute schwieriger als früher mit dem zunehmenden Islamismus?
Nein, am Anfang unseres Einsatzes hier war es viel schwieriger. Dann haben wir mit unserer Sensibilisierungsarbeit begonnen und uns gegen Kinderehen eingesetzt. Heute kennen uns die Leute. Die muslimischen Autoritäten unterstützen uns. Es ist eine sehr fruchtbare Kooperation. Auch der Sultan von Maradi, der sehr viel Ansehen im Land genießt, steht uns nah. Aber am Anfang war es richtig schwer. Sie haben uns nicht gleich verstanden. Heute haben wir eine große Schule mit 70 Mädchen, die im Internat leben. Insgesamt sind es 250 Schülerinnen in unserem Kindergarten und der Volksschule, die über sechs Jahre geht. Unsere Schule ist speziell für Mädchen. Wenn sie in den Dörfern bleiben, werden sie verheiratet. Oft mit Männern, die schon 30 Jahre alt sind und bereits mehrere Frauen haben.
Helfen Sie den Menschen auch wirtschaftlich?
Wir bringen den Frauen das Seifemachen bei und das Färben von T-Shirts. Die Produkte können sie dann verkaufen. Wir verteilen auch Lebensmittel. Es gibt viele mangelernährte Kinder bei uns. In der Erntezeit zwischen Oktober und Dezember ist es besser. Aber sobald die Ernte aufgegessen und die nächste noch nicht reif ist, kehrt der Hunger zurück. Wir produzieren selbst Mehl. Dazu haben wir unsere eigenen zwei Hektar großen Felder. Der Weizen kommt allerdings aus Nigeria oder Algerien. Er ist teurer geworden. Auch die anderen Lebensmittel müssen wir dazukaufen. Wir haben eine Bäckerei und arbeiten mit Weizen-, Hirse- und Maismehl. Leider ist auch das sehr viel teurer geworden.
Gibt es eine vergleichbar enge muslimisch-christliche Zusammenarbeit wie die Ihre, häufig in Niger?
Nein, das ist schon ein bisschen speziell. Die anderen machen das nicht. Jedes Jahr veranstalten wir große Begegnungen. Unter anderem mit Medizinern oder Krankenschwestern, die über ein Thema reden – wie zum Beispiel Kinderehen. Wir sprechen dann zuerst zu den jungen Mädchen, dann zu den Burschen, dann zu den Müttern und den Vätern, jeweils separat, und dann noch mit beiden Elternteilen gemeinsam. Wir machen das speziell für Menschen, die eine Führungsverantwortung haben, Imame oder Politiker.
Unser wichtigstes Ziel ist das Verhindern von Kinderehen. Deshalb haben wir auch unser Internat gegründet. Die Mädchen sind immer bei uns. Nur in den großen Ferien im Juni gehen sie nach Hause. Die älteren von ihnen begleiten wir dorthin und sagen dann den Eltern inständig: „Dieses Kind wird nicht verheiratet. Es ist immer noch unsere Schülerin. Nach den Ferien muss sie wiederkommen.“ ●
Künstler aus aller Welt: Diesmal aus Georgien
Fortan gestalten wechselnde Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt das Porträt auf dieser Seite. Diesmal tut das Miranda Meskhi aus Georgien. Sie lebt in Tiflis und absolvierte die Kunstakademie. „Schwester Marie Claire zu zeichnen war mir eine Ehre. Ich kann mir kaum vorstellen, wie hart ihre Mission ist, aber ich hoffe, es gelang mir, das Licht und den Frieden darzustellen, für den sie kämpft, um die Welt zu einem besseren Ort für Kinder und uns alle zu machen. Es sind beeindruckende Frauen wie sie, zu denen ich aufblicke.“