"Die Menschen sehen uns und erkennen, wie friedliches Zusammenleben aussehen kann."

Father Baptist Garingbi

Priesterausbildung im Krieg

Interview: von Anne Fleck und Katharina Hacker
8 min Lesedauer

Der Rektor des Priesterseminars in Juba, im Südsudan, Father Baptist Garingbi ist ein besonnener Mann, der gerne lacht. Beide Eigenschaften helfen ihm, seiner großen Aufgabe, junge Männer zu Priestern auszubilden, gerecht zu werden.

Es ist kein Land, von dem man oft hört. Und wenn es der Südsudan dann doch in die Nachrichten schafft, sind es selten Frohbotschaften. Anfang Juli soll sich das ändern. Papst Franziskus nimmt die weite Reise in eine Region auf sich, die vor allem durch dramatische Armut und unfassbare Gewalt von sich reden macht. In der Geschichte des jüngsten Staates der Welt scheint Frieden bisher kaum eine kleine Fußnote auszumachen. Wahrscheinlich ist das Land dem Papst gerade deshalb so ein Anliegen. 2019 hat er sich vor dessen Machthaber gekniet, ihnen die Füße geküsst und ihnen aufgetragen, sich nach Kräften für den Frieden einzusetzen.

Wie ist es, in einem Land, in dem seit Jahren Krieg herrscht, ein Priesterseminar zu leiten?

Wir sind überall gerufen, Gott zu dienen, unter allen möglichen Umständen unsere Verantwortung zu übernehmen – zum Wohl der Kirche und der Menschen. Überall wo es Menschen gibt, dienen wir. So lange jemand unsere Hilfe braucht, bieten wir sie an.

Wie steht es um den Südsudan?

Nach unserer Unabhängigkeit 2011 genossen wir zwei relativ friedliche Jahre. Im Dezember 2013 ist Krieg ausgebrochen und der dauert bis heute an. Es wurden schon Friedensverträge unterzeichnet, aber nie umgesetzt. Die einzige Hoffnung ist die Kirche, die den Menschen ein Licht ist.

Wer kämpft in diesem Krieg?

Regierung gegen Rebellengruppen. Unser Präsident ist Soldat. Die Menschen, mit denen er sich umgibt, haben wie er 22 Jahre im Busch gekämpft. Das sind keine Politiker. Ihre einzige Politik ist zu überleben und sich mit Gewalt zu nehmen, was sie dazu brauchen. Es ist schwer für sie, die Bedürfnisse des Landes vor ihre eigenen zu stellen. Und sie misstrauen allen Menschen, die nicht an den Gefechten beteiligt waren.

 Gibt es Hoffnung auf Frieden?

Wenn der Präsident und sein Vizepräsident an der Macht bleiben, wird es schwierig mit dem Frieden. Wenn sie beide nicht mehr an der Macht wären, gäbe es Hoffnung für einen Neuanfang. Echte Veränderung wäre dann möglich, aber einfach wird es nicht. Durch diese Männer sind so viele Menschenrechtsverletzungen geschehen – sie wollen unbedingt regieren, denn sie haben Angst, dass sie sonst verhaftet oder getötet würden.

Spielen Kirche und christliche Gemeinschaften eine Rolle in dem Konflikt?

Die Kirche hat schon viel versucht. Vieles passiert im Hintergrund. Der Erzbischof von Juba hat die Politiker ermahnt, ihre Konflikte hinter sich zu lassen. Aber wenn die Kirche zu stark auftritt, entsteht natürlich auch sofort der Verdacht, sie gehe gegen die Regierung vor. Sie bleibt trotzdem nicht stumm. Das lange Leiden der Menschen – Gott hört das.

Im Sommer will Papst Franziskus in den Südsudan reisen. Freuen Sie sich darauf?

Die Menschen haben lange darauf gehofft. Er wollte schon vor ein paar Jahren kommen, aber es war nicht möglich. Und jetzt wird er die Männer treffen, deren Füße er geküsst hat. Daran knüpfe ich große Hoffnungen. Er hat zu ihnen gesagt, sie müssten demütig werden und Frieden schaffen. Unsere Bischöfe haben den Präsidenten und die vier weiteren führenden Politiker später erinnert: „Der Stellvertreter Christi hat euch die Füße geküsst. Das hat noch kein Papst je bei einem Politiker getan. Wenn ihr euch nicht für den Frieden stark macht, wird sich das furchtbar rächen.“ Wir sind froh, dass der Heilige Vater jetzt kommt und sie fragt: „Habt ihr Frieden gestiftet?“ Es ist ein großer Segen, dass er in unser gefährliches Land reist. Wir hoffen, dass das die Politiker wachrüttelt.

Was sind für Sie persönlich die größten Herausforderungen?

Die Verantwortung für die vielen jungen Menschen – 164 Priesterstudenten, und ich bin der erste Ansprechpartner für all ihre Nöte. Durch den Krieg ist unsere wirtschaftliche Lage sehr herausfordernd. Alle zu ernähren, auszubilden, medizinisch zu versorgen – das fordert mich sehr. Ich sehe ihre schwierige Lage, aber ich sehe auch unsere treuen Wohltäter. Sie machen mir Hoffnung.

Ihr habt trotz der großen Not weiterhin Berufungen?

Ja, Gott ruft. Trotz Krieg haben die Priesterweihen nie aufgehört. Ich habe den Eindruck, dass der Glaube zunimmt. Im Seminar leben Männer aus 64 verschiedenen Stämmen in großer Einheit zusammen. Draußen töten sich die Menschen aus den unterschiedlichen Ethnien. An uns sehen sie, wie friedliches Zusammenleben gelingen kann. Für diese wichtigen Vorbilder verantwortlich zu sein, macht mir große Freude. Im Seminar lachen wir, reden wir, leben wir. Außerhalb des Seminars versuchen wir zu überzeugen, dass ein Leben ohne Gewalt möglich ist, dass wir in Wahrheit ein einziges Volk von Südsudanesen sind. Diese Haltung verändert die Gesellschaft – unsere Präsenz verändert die Menschen.

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